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Unfassbar wie im Film
Michal Kosakowskis Terror-Collage

Münchner Merkur, Kultur, 01.06.2006

Der 11. September 2001: Der Anschlag auf New York, der Unglaube, die Verzweiflung, das blanke Entsetzen – alles schon da gewesen. Hollywood hat die Katastrophe lange zuvor im Film konstruiert. Ausschnitte aus „Superman“ und „Armageddon“, „King Kong“ und „Godzilla“ ergeben zusammen die Chronik des Terrorfluges auf das World Trade Center.

Die Frage ist: Hat der Film die Terroristen inspiriert? Oder waren es die Bilder, die die Nachrichtenmacher zu selektiven Wiedererkennungs-Bildern verleiteten? Auch wenn Michal Kosakowski zur zweiten Theorie tendiert, es wird wohl beides wahr sein. Genau deswegen ist es extrem packend, wenn er aus 418 Filmszenen von 52 Hollywood-Streifen einen eigenen Spielfilm des Schreckens kreiert.

Die Lothringer13 in München überschreitet mit der Uraufführung des Films nicht die Grenzen des guten Geschmacks, sondern zeugt mit dem Wiener Künstler von Mut. „Just Like the Movies“, unfassbar wie im Film war die Szenerie in New York. Im Gegensatz zu den Kinovorlagen von 1968 bis vor dem Anschlag hat aber der Stummfilm Kosakowskis wenig Voyeuristisches. Eher wechseln sich unheilvolle Stimmung, lähmendes Entsetzen und verwirrte Aktionen ab. Der Wahrheitsgehalt der einstigen Fiktion sorgt dabei für den größten Schock.

Dramaturgie und erste Bilder für den Stummfilm waren Kosakowski an jenem denkwürdigen Septembertag klar, danach sichtete er Hunderte von Filmen. Daraus entstanden die Sequenzen, die von einer bedeutungsvollen Nacht über die Rush Hour bis zum ersten Flugzeug-Einschlag reichen. Untermauert werden die Spannungskurven von der Ragtime-inspirierten Klaviermusik von Paolo Marzocchi, die sich an Stummfilme anlehnt, irritierend die Komik und Lebendigkeit daraus übernimmt und die Bilder zu einer Einheit zusammenfügt.

Freia Oliv

Amerikas Psychose
Michal Kosakowskis „9/11“-Film in der Lothringer13 in München

Süddeutsche Zeitung, Feuilleton, 06.04.2006

Was hat der American Psycho mit dem 11. September zu tun? Auf welcher Seite steht Travis Bickle, der sich aufrüstet, an diesem Tag, mit einem Blick in den Spiegel prüft, wie die neue Waffe ihm steht? Wie wird Babe Levy reagiern auf 9/11, der junge Marathon Man? Fragen, die der neue Film von Michal Kosakowski suggeriert, „Just Like the Movies“, der ab morgen in der gleichnamigen Ausstellung in der Lothringer 13 zu sehen ist.

Am 11. September 2001 ist der Film entstanden, in den Stunden nach dem Terrorattentat auf die Twin Towers in New York. Ein schauriger Déjà-Vu-Effekt, für den Filmemacher Kosakowski wie für Millionen von Zuschauern auf der ganzen Welt. Was man sah, folgte vertrauten Bildern und Szenen, dutzendfach hatte man sie gesehen im amerikanischen Kino, und in den Monaten und Jahren darauf hat Kosakowski die entsprechenden Filme aussortiert, Momente klassifiziert und gruppiert, in die Folge eines Tages gebracht – von der Morgenstimmung, dem Erwachen, der Rush hour, dann die Katastrophe, der Schock, die Zerstörung … Alle Genres finden hier zusammen, von einer trügerischen Stummfilmmusik auf Touren gebracht, Melodramen wie „The Siege“, Horror wie „Godzilla“, Science Fiction wie „Independence Day“, Comics wie „Spiderman“, film noir wie „Swordfish“, New Hollywood wie „Taxi Driver“. Und am Wendepunkt dieses Tages zieht der American Psycho düster seine Bahn, Christian Bale in der Verfilmung des Romans von Bret Easton Ellis. Alfred Hitchcock hat seine Filme so konsequent vorbereitet, dass er das fertige Werk im Kopf, wenn er an den Drehort kam. Inzwischen sind die Bilder nicht nur im Kopf, sondern in der Welt. Und das Kino hat sie dorthin gebracht.

göt

„Just Like the Movies“ von Michal Kosakowski

BR Arte Tracks, 18.05.2006, 23.50 Uhr

Mit Filmen wie „United 93“ ist der 11. September fünf Jahre nach der Katastrophe zum Stoff für Hollywood geworden. Die schrecklichen Ereignisse sind schon viel früher über die Leinwand geflimmert.

Der 11. September 2001 – ein Albtraum. Bilder, die wir sonst nur aus Filmen kannten. Aber schockiert hat uns ja eigentlich nur die Tatsache, dass plötzlich alles real war! Im Kino hätte uns so was nicht umgehauen! Der Kurzfilm „Just Like the Movies“ besteht nur aus Szenen aus Katastrophen-Blockbustern. Aneinander geschnitten entsteht so der Tag des Anschlags. Die Bilder aus „Armageddon“, „Godzilla“ oder „Deep Impact“ bekommen, nach dem 11. September, eine völlig neue, eine prophetische Bedeutung.

Für den Regisseur von „Just Like the Movies“ Michal Kosakowski, sind Videotheken fast so was wie sein Wohnzimmer. Seit seinem 14. Lebensjahr macht er Filme und kennt alles, was Hollywood jemals auf die Leinwand gebracht hat. Sein Geld verdient er mit Werbefilmen – doch manchmal ist auch Zeit für Kunstprojekte wie „Just Like the Movies“. Wie viele andere, hatte auch er am 11. September ein Déjà-Vu. Kosakowski sichtete über 600 Katastrophenfilme, um in seinem Film dem Grauen des 11. September möglichst nahe zu kommen. Im April war Premiere von „Just like the movies“ in München. In einer begleitenden Ausstellung hat Kosakowski die Bilder gegenübergestellt, bei denen die Ähnlichkeit zwischen Realität und Fiktion besonders deutlich wird. Er liefert damit den Beweis: Hollywood wurde von der Realität eingeholt. Die Ähnlichkeiten sind schockierend. Man hört keine Boom Effekte, keine Schreie oder Explosionen. Stattdessen verbindet Stummfilmmusik die ganzen Filmschnipsel. Für Kosakowski ist diese Art der Musik der Link zum Thema Wahrnehmung von Fernseh- und Kinobildern.

Kosakowski zeigt auch Abläufe der Katastrophe, die wir so nicht sehen konnten. Sein Film bündelt die Visionen der Filmemacher aus der Traumfabrik.

Eine Reportage von Heiko Hinrichs

Michal Kosakowski „Just Like the Movies“

In München, Ausstellungen, Nr. 9, 2006

Die Formate Video, Film, Fernsehen sind eng ineinander verwoben, Dokumentation und Fiktion sind nicht mehr voneinander zu unterscheiden. Als Michal Kosakowski die Ereignisse vom 11.09.2001, die Zerstörung der Zwillingstürme in New York, im Fernsehen verfolgte, beschlich ihn das beklemmende Gefühl, dass dieses Szenario in einzelnen Sequenzen und Bildern bereits dagewesen ist. Hat Hollywood zu diesem Terroranschlag inspiriert? Oder wurden hier Nachrichtenbilder auf ein zumutbares, weil im Ansatz bekanntes, Horrorszenario heruntergebrochen? Kosakowski ist der Sache nachgegangen. Für das Debüt seiner Arbeit „Just Like The Movies“ ist die Halle der Lothringer13 vorübergehend zum Kinosaal verwandelt. Filmsequenzen aus 52 Hollywood-Streifen, allesamt vor dem Anschlag veröffentlicht, sind zu einer Bildsequenz zusammengeschnitten, die das Geschehene scheinbar dokumentieren. Untermalt von einer stark emotionalisierenden Filmmusik von Paolo Marzocchi wird man hier brüsk zurückgeworfen auf den Wahrheitsgehalt einstiger Fiktion und die Wucht bewegter Bilder. Parallel zeigt Kosakowski Bildcollagen, die Nachrichtenbilder und fiktive Bildproduktionen in eindringlicher Direktheit gegenüberstellen. Ebenfalls mitgemischt hat der Wiener Künstler bei einem Kompendium von elf Videofilmen, mit dem die ghostAkademie, ein Projekt von Uli Aigner, parallel eine Zwischenbilanz präsentiert. Sie setzt als neue Kuratorin der städtischen Institution mit diesem Auftakt eine Rückführung zu Gründuungsideen der Ausstellungshalle in der Lothringer Straße: Ein Ort für Kunstproduktion und Künstler/innenförderung jenseits des Mainstreams. Eine vielversprechende Neupositionierung, die mit der Umbenennung in Lothringer13, Städtische Kunsthalle München einhergeht und die man im Blick behalten sollte.

Film-Projekt
Ganz reale Fiktion

Süddeutsche Zeitung, Münchner Kultur, 06.04.2006

„Das ist ja wie im Film!“ – dem in Wien lebenden Filmemacher Michal Kosakowski erging es wie Vielen: Wie ein Déjà-vu hollywood’scher Katastrophen-Szenarien schien ihm die „Live-Übertragung“ des 11. September 2001, irgendwo an der Grenze zwischen Realität und Fiktion. Sein 20-minütiger Stummfilm „Just Like the Movies“, den die Gallerie Lothringer13 als Uraufführung von 7. April bis 25. Mai zeigt, soll nun dieses Gefühl belegen: Kosakowski hat 418 Szenen-Schnipsel aus 52 „echten“ Hollywood-Filmen – alle vor 2001 produziert – herausgelöst und neu montiert. Aus diesem Material, der reinen Fiktion rekonstruiert er auf verstörende Weise die Ereignisse jenes ganz realen Septembertages, imitiert die vertraut wirkende Bildersprache des Terror-Szenarios. Paolo Marzocchi hat, den Stummfilm zitierend, die Musik dazu komponiert, und ein Buch ist ebenfalls erschienen.

TABA

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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