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Alles ist Vordergrund
Die „Große Malerei Ausstellung“ in der Lothringer13

Süddeutsche Zeitung, Münchner Kultur, 05.01.2010

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Gerahmte Welten

Applaus, Kultur-Magazin, Dezember 2009

Unter dem ironischen Titel „Große Malerei Ausstellung“ versammelt Künstlerkuratorin Uli Aigner sechs internationale bildnerische Positionen, die sich mit den unterschiedlichen Aspekten des Rahmens und der Rahmung auseinandersetzen.

Alles Hadern nützt nichts: Die Grenzen des Bildes sind die Grenzen der Welt des Künstlers. Wittgensteins weltberühmt gewordenes Diktum gilt auch in der Welt der bildenden Künste, nicht nur in der Linguistik. Während jedoch vielen die Grenzen ihrer Sprache gar nicht einmal bewusst werden, verfügt der Maler über den Vorteil, dass ihm der Rahmen und damit die Grenzregionen seines bildnerischen Handelns stets gegenwärtig sind. Im Cadre besitzt er zudem ein Werkzeug, das ihm die Ausschnitthaftigkeit seiner Bildsicht immer vor Augen führt. Ursprünglich von den Renaissancekünstlern entwickelt, hilft der Cadre – auch bekannt als „Alberti-Gitter“ – bei der Darstellung der erwünschten Raumperspektive. Dazu sind in ihm Fäden rektangulär eingespannt, sodass sich kleinere Segmente ergeben. Heute sind die bildenden Künstler weniger an der Erzielung einer perspektivischen Illusion interessiert als am Cadre als Metapher. Zum einen ist der Cadre die Trope, die den Teil anstelle des Ganzen gibt, zum anderen wohnt ihm eine kontemplative und zugleich die Konzentration befördernde Kraft inne. Wenn die Tokioterin Satoko Kako, die Österreicherin Manuela Gernedel und die Münchnerin Hedwig Eberle mit dem Cadre in der Hand ihre Werke in den genauen Blick nehmen, lassen sie für einen Moment die altmeisterliche Geste des Distanznehmens aufblitzen. Einen tiefen Blick lang vergessen sie die vorlaute Macht des Kontextes und der Einbettung in Diskurssysteme. Wohin und wie lenkt der Rahmen in der Hand stattdessen den Blick? Satoko Kakos Landschaftsmalerei auf einem transparenten Träger löst die Frage nach vorne und hinten auf. Ihre Bilder scheinen vor der Wand fast wie Skulpturen zu schweben. Der Pinselduktus von Hedwig Eberles gestischer Malerei führt zurück auf die Materialitäten eines Bildes: die Leinwand, die Farbe in ihrer Konsistenz und die Haare des Pinsels.

Der Screen als Rahmen

Das Hauptaugenmerk dieser Ausstellung liegt auf dem Verstehen zeitgenössischer Bildkunst. Uli Aigner, die Leiterin der Lothringer13, hat sich dafür junge, von den Schleifspuren der Professionalität noch unbelastete Künstlerinnen und Künstler ins Boot geholt, die momentan ihren Schaffensschwerpunkt an der Isar haben oder zumindest teilweise hier ihre Ausbildung genossen haben. Mit der Durchsetzung des Fernsehens als Massenmedium seit den 60er-Jahren und des PCs in den Endachtzigern des vergangenen Jahrhunderts hat sich ein anderer Rahmen in den Vordergrund von Wahrnehmung und Reflexion gedrängt. Er hört auf die Namen Bildschirm, Monitor oder einfach Screen. Die umfangreiche, sich auf sieben Screens vollziehende Installation des Musikers und Videokünstlers Alcuin Stevenson treibt den Betrachter in die Überforderung. Die Fülle der Bilder und zu hörenden Informationen vereinigt sich nicht zu einem Gesamteindruck, vielmehr scheinen die Screens über den Zuschauer hinweg miteinander in nicht ermittelbare Beziehungen zu treten. Anna McCarthy, ausgebildet im schottischen Glasgow, gibt in ihrer Videoinstallation „Bored Rebel in Oberpfaffenhofen“ die Rahmung der Rahmung der Rahmung. In einer engen Dachwohnung bereitet sich eine junge Frau zum Ausgehen vor, tritt mit der Außenwelt via PC und Telefon in Verbindung, um dann doch zu Hause zu bleiben. In seinem Film „Minderjährige“ erstellt Jürgen Schlattl, der jüngste der beteiligten Künstler, gewissermaßen ein Kompendium der formalen Mittel bildschirmgerechter Rahmungsstrategien.

Meisterkabine

Eine bauliche Eigenart der ehemaligen Fabrikhalle in der Lothringer Straße macht den Gedanken der Rahmung ein weiteres Mal sinnfällig. Mittendrin liegt das ehemalige Meisterbüro. Vom Lärm und Staub des Fabrikgeschehens durch eine kleinteilige Fensterfront an zwei Seiten getrennt, wirkt diese Fensterfront von innen wie von außen wie ein Cadre. Uli Aigner, die Kuratorin der Ausstellung, hat sich diesen „Zufall“ selbstredend nicht entgehen lassen und in dem ehemaligen Raum die sogenannte Meisterkabine installiert. In ihr finden während der Laufzeit der Ausstellung bei wöchentlichem Wechsel, der jeweils dienstagabends um 19.30 Uhr erfolgt, verschiedene Ausstellungen, Aktionen und künstlerische Ereignisse statt. Freunde und Weggefährten der sechs beteiligten Kunstschaffenden oder auch Positionen, die sie interessant finden, erhalten hier ihren Auftritt. Bis zum 30. November zeigt der zwischen München und Berlin pendelnde Sebastian Dacey seine Zeichnungen, bevor dann ab 1. Dezember der Norweger Per-Oskar Leu in der Kabine eine Installation einrichtet. Eine Woche später, ab 8. Dezember, stellt Niklas Schechinger seine in Hamburg beheimatete Galerie und ihr Programm vor. Ab Monatsmitte präsentieren die Beteiligten von OURTV ihr ziemlich anders ausfallendes Fernsehprogramm vor. Ab 22. Dezember wird die Meisterkabine zum Schauplatz einer Wandmalerei aus der Hand der englischen, in Berlin lebenden Künstlerin Lucy Stein. Zwischen den Jahren gibt es dann am Dienstag, dem 29. Dezember, passend zum Fest ein Spezial für Freunde von Überraschungen.

Rüdiger Heise

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© Lothringer13, Städtische Kunsthalle München
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